Hof

Blog der Hofkirche

Es wird Frühling und Gott reicht uns die Hand

Mein Vorschlag ist, die Umstände dieser Karwoche bewusst aus Gottes Hand zu nehmen und zu erwarten, dass er sie so gestalten wird, dass es für uns zu einer wunderbaren Erfahrung seiner Gegenwart und Liebe wird. Vielleicht ist der erzwungene Verzicht auf jegliche Veranstaltung ja Gottes radikale Art, seine Gegenwart in ganz neuer Weise anzubieten?
Der Blütenduft ist kräftig. Ich habe die Blüten vor wenigen Tagen bei einem Spaziergang im Fuchsbruch aufgenommen.

Artikel als Podcast:

Für viele von uns Christen ist die Karwoche eine besondere Zeit im Kirchenjahr. Denn sie ist die letzte Woche der Passionszeit, in der am Gründonnerstag an das Abendmahl Jesus mit seinen Jüngern gedacht wird und am Karfreitag die Welt still steht, weil Jesus am Kreuz gestorben ist – für uns und aus Liebe zu uns.

Und zu Ostern schließlich wird uns normalerweise in unseren Gottesdiensten zugerufen: »Der Herr ist auferstanden!« Und wir antworten uns gegenseitig: »Er ist wahrhaftig auferstanden!«

All das wird wegen Corona in dieser Woche nicht stattfinden. Ich möchte aber Mut machen, diesen Umstand mutig aus der Hand Gottes selbst zu nehmen. Wenn man das tut, kann man darin seine Einladung hören, die Freiheit zu ergreifen, ihm auf ganz andere Weise zu begegnen. Ich selbst höre darin sogar seinen konkreten Auftrag, in diesem Jahr in der Karwoche und and den Osterfeiertagen ganz andere Akzente zu setzen.

Laut Wetterbericht soll die Karwoche hier bei uns in Brandenburg auch den Frühling bringen. Wie wäre es damit, statt die Ansprache in den Gottesdiensten zu vermissen die Ansprache Gottes in der Wärme der Sonne und in der Blütenpracht mit ihrem Duft als sein freundliches und ermutigendes Lächeln wahrzunehmen?

Mir reicht Gott dadurch seine Hand und lädt mich zu einem Spaziergang mit ihm ein. In diesem Sinne möchte ich folgende geistliche Übung vorschlagen: Man geht nach draußen, macht einen dieser infektiologisch vollkommen erlaubten Spaziergänge und lässt sich die Sonne auf die Nase scheinen.

Und dabei betet man:

»Herr, hier bin ich.
Berühre du mich bitte mit deiner Gegenwart,
dass ich dich spüren kann.
Ich stelle mich dir zur Verfügung.
Ich möchte dein Reden hören.
Zeige mir, was ich tun kann
– für dich – mit dir.
Herr, ich bin in dir.«

Ich rechne damit, dass Gott dann nicht stumm bleiben wird. Ich erwarte, dass er nicht nur seine Gegenwart deutlich machen, sondern uns auch zu dem einen oder anderen kleinen Abenteuern herausfordern wird. Jedenfalls denke ich, dass es zu vielen interessanten Erfahrungen kommen wird, die uns Lust machen werden, sich mit anderen darüber auszutauschen.

Und das hat mit meinem zweiten Vorschlag zu tun: Stellt euch doch einmal kurz vor, wir würden den Ostergottesdienst mit Frühstück und allem drum und dran genauso feiern, wie wir uns das noch Anfang März vorgestellt hatten. Mit wem würdet ihr wohl alles im Laufe dieser zwei Stunden gesprochen haben? Es ist ja klar, dass bei solch einer Veranstaltung nicht jede mit jedem und jeder mit jeder sprechen kann. Aber mit wem würdet ihr wahrscheinlich sprechen?

Jetzt mein Vorschlag: Schreibt euch eine Liste mit den Namen dieser Menschen auf und versucht in dieser Woche, mit ihnen in Kontakt zu treten – per Telefon, Postkarte, Skype oder wie auch immer.

Das birgt die Chance zu einer großartigen Entdeckung – nämlich, dass unsere Gemeinschaft nicht an der Form der Veranstaltung Gottesdienst hängt und auch nicht an unserem Gebäude, so schön und wichtig beides ohne Fragen ist. Unsere Gemeinschaft wird von unseren Beziehungen getragen, die in unserem gemeinsamen Glauben an Jesus Christus verwurzelt sind.

So bietet diese Karwoche, mit alldem, was gerade nicht stattfinden kann, die große Chance, das eigentlich Wichtige zu entdecken: Wir als Christinnen und Christen sind Leib, sind Körper Christi, mit oder ohne Gottesdienst, mit oder ohne Kirchengebäude. Denn es ist die Gemeinschaft in ihm, die uns uns zur Einheit macht: In ihm sind wir Glieder an seinem Leib.

Es ist großartig, wenn das als Tatsache in all ihrer Nüchternheit erlebbar wird. Mich macht gerade das sehr dankbar für die generelle Möglichkeit, in der Hofkirche mit euch Gottesdienste zu erleben. Aber wenn das nicht geht, ist Gott dennoch nahe und wir bleiben die Menschen, aus denen mit anderen zusammen die Kirche Jesu weltweit besteht, weil wir und die anderen die Menschen sind, die ihm nachfolgen. Und das reicht ihm, um uns im vollen Sinne, sein Leib sein zu lassen. Und das reicht ihm, um uns ganz nahe zu sein.

Und das ist doch gut! Pastor Thilo Maußer