Hof

Blog der Hofkirche

Jesus sagt:
»Ich bin der gute Hirte!«

Dieser Sonntag (26. April 2020) widmet sich der Vorstellung, dass Gott wie ein guter Hirte für uns ist und dass sein Sohn Jesus Christus diese Art »Hirtentum« uns Menschen gegenüber selbst verkörpert hat. Der Artikel geht dem nach, was das für Glaube und Spiritualität bedeuten kann.
Foto und Video privat; Link zum Video:
Die Stimmen der Schafe (ca. 31 MB, also bitte einen Moment Geduld;-) – die mechanischen Nebengeräusche kommen von dem Motor des Autofokus im Objektiv (leider).

Thilo: Jeder Sonntag im Kirchenjahr hat einen Namen und einen Bibelvers, auch Wochenspruch genannt. Beide zusammen umreißen das Thema der Bibeltexte, die für den gottesdienstlichen Gebrauch für diesen Tag bzw. diese Woche vorgeschlagen sind. Am 26. April heißt der Sonntag »Misericordias Domini«. Das ist Latein, bedeutet sinngemäß die »barmherzigen Taten des Herrn« und stammt aus Psalm 89,2: »Ich will die barmherzigen Taten des Herrn ewig besingen!« Der Wochenspruch ist aus dem zehnten Kapitel des Johannes-Evangelium. Dort sagt Jesus: »Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.« (Johannes 10, 11a.27-28a)

Ute: Das ist für mich eines der schönsten Bilder für Jesus und Gott – ein Hirte, ein guter Hirte, der seine Schafe kennt, sie mit Namen ruft, sie hinaus führt aus der Enge in die Weite, der vor ihnen hergeht – zum frischen Wasser und auf grüne Wiesen. Hirt und Schafe leben in einer Beziehung. In diesem Bild sind die Schafe die Hörenden und Folgenden, der Hirte der Redende und Wegweisende. »Meine Schafe hören meine Stimme…« Es steht nicht da: »Die Schafe hören meine Worte…« Na ja, vielleicht verstehen Schafe ja sowieso keine Worte. Aber sehr wohl verstehen sie ihren Sinn, ihre Absicht, die Motivation hinter den Worten. Sie hören ihren Klang. Die Stimme sagt viel über den Sprecher. Es gibt Stimmen, an die ich mich gern erinnere: die meines Opas, als er uns in seinem ostpreußischen Tonfall das Märchen vom Specht Pit Pikus und der Möwe Leila vorgelesen hat; die eines guten Freundes aus der Schweiz, dessen Sprache für mich so wohlwollend und gemütlich klingt; die meiner Mutter, wenn sie uns vom Spielplatz zum Essen rief – oder die Stimme von Peter Schreier (Sänger), wenn er den Evangelisten im Weihnachtsoratorium sang. Wie aber klingt die Stimme des guten Hirten? Wohl freundlich, liebevoll und wegweisend – mit Worten, die leben lassen. Mich und andere und alles um mich herum. Und wie kann ich diese Stimme hören? Aus den vielen Stimmen heraushören? Pater Reinhard Körner aus dem Karmeliterkloster in Birkenwerder hat es so formuliert: »Jeder Mensch kann diese Stimme hören. Wenn genügend Stille in mir ist, kann auch ich sie vernehmen. Nicht akustisch; für die Ohren ist sie wie Schweigen. Doch in diesem Schweigen, sagen die biblischen Schriften, spricht Gott Weisheit in die Seele hinein. Das ist seine Art zu reden. Auch heute. Er redet durch Wahrheiten, die weiterweisen, über das bisher Gedachte und Erkannte hinaus, woher immer sie kommen: aus einem Gespräch zum Beispiel, aus Büchern, aus Musik und Kunst, aus Worten der Bibel, aus den Ereignissen des Alltags und manchmal auch – wie in einer Eingebung oder Erleuchtung – aus dem eigenen Innern... Spricht eine Wahrheit mich an, spricht Gott selbst mich an, denn er ist die Quelle aller Wahrheit. Seine weisenden Wahrheiten schweben mir zu wie die Blätter in die Hand des Elija, berühren das Herz und bringen den Verstand in Bewegung.«

Thilo: Was meint Reinhard Körner mit den Blättern in der Hand Elijas? Das bezieht sich auf ein Bild, das der Pfarrer und Künstler Sieger Köder zu einer Geschichte aus dem Alten Testament geschaffen hat. Nach einer Zeit extremer seelischer und körperlichen Belastung kommt der Prophet Elija zu einer Höhle auf dem Berg Horeb und übernachtet dort. Er erlebt einen Sturm, der Berge zerreißt und Felsen zerbricht, es kommt ein Erdbeben und es kommt Feuer. »Nach dem Feuer aber«, heißt es in der Bibel, »kam das Flüstern eines sanften Windhauchs.« (1. Könige 19,12b – Neue Zürcher Übersetzung). Erst in dem gewaltlosen Windhauch wurde die Gegenwart Gottes nach dieser Geschichte für Elija spürbar. Auf seinem Gemälde der Szene stellt Sieger Köder den sanften Windhauch symbolisch durch lebendig-grüne Blätter eines Laubbaums dar, die Elija in die offenen Hände segeln.

Ute: Es kommt auf den Klang an, nicht darauf, wer spricht. Der gute Hirte kann mir in Vielem begegnen. Es kommt darauf an zu spüren, ob etwas mich berührt, mich meint, mir neues »Futter« zeigt, mich weiterweist. Und dann will ich darauf hören, es in mich aufnehmen und im Herzen bewegen – wie Maria. Vielleicht verändert es dann mein Leben, meinen Glauben, mein Hoffen und Zweifeln.